IM EINKLANG MIT SICH SELBST Von Dirk Michael Steffan
Eine magische Reise zu den Ursprüngen des Ayurveda Sri Lanka, die „Perle“ im Indischen Ozean, ist besonders reich an sehenswerten Kulturdenkmälern und herrlicher Natur. Vor allem aber bietet die tropische Insel die wohl besten Ayurvedakuren weltweit. Dirk Michael Steffan schildert seine Erlebnisse im „Ayurveda Garden“
Sri Lanka ist ein Land voller Poesie und Sinnlichkeit. Schon beim Verlassen des Flughafens in Colombo ist zu spüren: Es liegt eine besondere Schwingung in der Luft, ein energetisch aufgeladenes Flirren, das nicht nur mit den heißen Temperaturen von über 30 Grad und der hohen Luftfeuchtigkeit zu tun hat. Wer aus Westeuropa in diesen traditionsreichen und in so vieler Hinsicht bezaubernden Teil Asiens reist, sollte seine gewohnte Sicht, seine „westliche Brille“ am besten zu Hause lassen. Die Schönheit und der Reichtum dieses Landes zeigen sich am ehesten, wenn man bereit ist, neu zu sehen, zu riechen, zu schmecken und zu lauschen, sich an der Andersartigkeit des Lebens und der Menschen in diesem Land zu erfreuen. Mein Ziel ist der Ayurveda Garden am westlichen Ufer Sri Lankas, ein Kleinod direkt am Indischen Ozean, drei Autostunden südlich der Hauptstadt Colombo.
Auf der Fahrt nach Ambalangoda spüre ich die fünfzehnstündige Anreise fast nicht mehr, so faszinierend ist die Natur, die sich hier an fast jeder Ecke zeigt. Hat man die Hauptstadt einmal hinter sich gelassen, zeigt sich die Schöpfung in ihrer wundervollen Kreativität: Papayas wachsen hier, so groß wie man sie bei uns kaum kennt, dazu Bananenstauden, King Coconuts, Früchte und Blumen, wie ich sie nie zuvor gesehen habe. Ein wahrhaft magisches Erlebnis - sie alle scheinen mich als Fremden willkommen zu heißen und sind ebenso farbenfrohe Reisebegleiter wie der strahlend blaue Himmel, dessen Freundlichkeit nur noch übertroffen wird von der warmen Herzlichkeit der Menschen.
Im Ayurveda Garden
Natürlich werden auch in westeuropäischen Breitengraden Ayurveda-Urlaube angeboten. Doch zum authentischen Erlebnis wird es vor allem dort, wo diese Jahrtausende alte, traditionsreiche und durch viele Familien-Generationen hinweg überlieferte medizinische Kultur vor langer Zeit geboren wurde: In Sri Lanka, neben Indien eines der beiden Ursprungsländer.
Im Ayurveda Garden angekommen, empfangen mich die Ayurveda-Ärzte und seine Mitarbeiter mit einem traditionellen Blumenkranz, geflochten aus lauter frischen Blüten. Wer so etwas für verschwenderisch hält, hat noch nicht verstanden, dass es besonders die Fülle der Natur und ihrer Gaben ist, die im Ayurveda dazu verwendet wird, uns wieder in eine innere Balance zu bringen. Meine singhalesischen Gastgeber bilden zur Begrüßung einen Halbkreis und singen ein Segenslied, dessen fremde Worte ich zwar nicht verstehe, das aber trotzdem eine vertraute Wirkung entfaltet: ich fühle mich nicht mehr fremd, obwohl Tausende Kilometer zwischen mir und meiner Heimat liegen.
Die traditionelle Pancha Karma Kur, für die ich mich entschieden habe, beinhaltet eine individuelle Abfolge von inneren und äußeren Anwendungen, an deren Beginn eine umfassende Konsultation steht. Das ayurvedische Diagnoseverfahren ist uralt und gleichzeitig sehr präzise. Im Mittelpunkt stehen nicht einzelne Beschwerden, sondern der Mensch als Einheit von Körper, Geist und Seele. Anhand einer Pulsdiagnose sowie der genauen Beobachtung von Körperbau, Augen, Haut, Blutdruck und vielen weiteren Diagnosekriterien ermittelt der Arzt meine Grundkonstitution, deren eventuelles Ungleichgewicht während der Kur behandelt werden soll. Während ich im schattigen „Doctor’s Room“ sitze, stellt sich wieder jene überraschende Vertrautheit ein, die mich schon bei der Ankunft verblüffte. Die ärztlichen Mitarbeiter singen während der Anamnese ein Mantra, während der Doktor, ebenfalls singend und betend, einen kleinen weißen Baumwollfaden um mein rechtes Handgelenk bindet. Mögen diese Rituale auch ungewohnt sein, sie haben eine befreiende Wirkung. Anders als bei den meisten Ärzten westlicher Prägung entsteht hier das Gefühl, in diesem Augenblick als ganzer Mensch „gesehen“ zu werden. Als könnten der Ayurveda-Arzt und seine Helfer hinter die Kulissen meiner äußeren Hülle schauen.
Echte Nahrung
An diesem Ort gibt es zudem eine besondere, mitunter poetische Verbindung von Lebensart und Heilungsenergien. Dazu gehören vermeintlich kleine Gesten wie die tägliche Verzierung des Bettlakens mit Zweigen und Blumen, die von den „Room Boys“ jeden Morgen aufs Neue zu fantasievollen, kreativen Bildern und Motiven gestaltet werden. Oder die Wasserschale vor dem Zimmer mit den frisch gepflückten Jasmin-Blüten, deren betörender Duft mir schon am Morgen durch Nase und Bewusstsein weht, während ich um sechs Uhr nach dem Weckruf auf der Terrasse die erste Thermoskanne mit heißem Ingwerwasser leere.
Erwähnenswert, weil einzigartig ist die schmackhafte ayurvedische Küche. Wer ein gutbürgerliches Essen favorisiert, muss sich umstellen. Gekocht wird für jeden Gast individuell, es gibt keine Ernährungsdogmen. Was für den einen gut ist, mag für den anderen ungünstig sein. Ernährung wird im Ayurveda als zusätzliche Medizin verstanden, gekocht wird je nach Konstitution und entlang der Frage: Was ist gut für die Harmonie der „Doshas“? Als solche bezeichnet man im Ayurveda die drei verschiedenen Lebensenergien Vata, Pitta und Kapha, welche alle körperlichen und geistigen Funktionen regulieren. Durch ayurvedisches Essen werden ebenso wie durch die Behandlungen alte Disharmonien wieder in ein neues Gleichgewicht gebracht. Während Restaurantchef Ari formvollendet das Essen serviert, erklärt er jedem Gast, was sich auf seinem Teller befindet. Alles ist schmackhaft, doch vieles unbekannt. Schließlich wachsen in Sri Lanka Gemüsesorten, Pflanzen und Kräuter, von denen die meisten Reisenden noch nie gehört haben. Wer offen ist für die landestypischen Sitten, kann das Essen auch mit den Händen zu sich nehmen. Eine ungewöhnliche Erfahrung, die Distanz von Messer und Gabel aufzugeben und auf diese Weise in einen neuen, sinnlichen Kontakt zu treten mit einer Art von Ernährung, die nicht nur satt macht, sondern auch nährt.
Innere Verwandlung
Genau diese Entdeckungsreise hin zu neuen, unbekannten Erfahrungen macht die Zeit während der Ayurvedakur zu einem so faszinierenden Erlebnis, im Inneren wie im Äußeren. Etwa vier Behandlungen warten pro Tag. Niroshan und Jamal, meine beiden Therapeuten, verrichten ihre Arbeit mit einer solchen Hingabe und einem Gleichmut, der sich automatisch auf mich zu übertragen scheint. Während der zahlreichen Massagen und Anwendungen beschleicht mich manchmal das Gefühl, es seien „heilende Hände“, die meinem Körper helfen, wieder neu in die Balance zu kommen. Zu einer wahrhaft magischen Reise wird die Ayurvedakur besonders dann, wenn es nicht nur im Körper, sondern irgendwann auch in der eigenen Seele „Klick“ macht. Unweigerlich kommt der Augenblick, in dem es während der Behandlungen darum geht, Altes los zu lassen. Das bedeutet nicht nur für den Körper, sich von physischen Schlacken zu verabschieden, die mit Hilfe verschiedenster Reinigungen und Einläufe gelöst werden. Es geht gleichzeitig um die psychischen Schlacken. Um alte, oft unbewusste Überzeugungen ebenso wie um emotionale und mentale Muster, die los gelassen werden wollen. Ablagerungen kann es ebenso in der Seele geben und auch diese können gelöst werden. Oft geschieht dies im Ayurveda beim sogenannten „Shirodara“. Während minutenlang warmes Öl in einem feinen Strahl langsam von oben pendelnd über die Stirn fließt, füllen sich meine Augen immer wieder mit Tränen, ohne dass ich genau wüsste, warum. Ich stelle es nicht in Frage, sondern lasse es geschehen in einer Atmosphäre von Geborgenheit und Stille, während von draußen nur das Rauschen des Meeres zu hören ist. In diesem Zusammenspiel von Heilkunst und Spiritualität wird mir bewusst, wie entscheidend es ist, mit dem eigenen Körper wieder in Harmonie zu gelangen, damit die Seele auch Lust hat, darin zu wohnen...
Heilende Schönheit
Vieles von dem, was täglich frisch geerntet und zu Medikamenten verarbeitet wird, wächst im Ayurveda Garden direkt vor Ort. Die Fülle und die Weisheit des Lebens ist hier mit Händen zu greifen. Zudem verzaubern einzigartige Kunstobjekte diesen magischen Platz am Ufer des Indischen Ozeans. Sie entstammen der Tradition des Vastu, jener alten vedischen Lehre vom gestalterischen Umgang im Einklang mit Räumen und mit der Natur. Geschaffen hat sie der Künstler Erich Böhm, der mit seiner Frau Sujeewa diesen Ort zu einem kleinen Paradies gestaltet hat, voller Inspiration und natürlicher Würde. Steht man vor einem dieser wundersamen Objekte und betrachtet seine perlenhafte Gestalt, deren goldene Schichten die gleißende Mittagssonne spiegeln, kann es passieren, dass Raum und Zeit für einen Augenblick in den Hintergrund treten. Für einen kurzen und gleichzeitig zeitlos langen Moment spüre ich wieder jenen Einklang, von dem die Mystiker so oft sprechen: Der eine Klang, in dem eigentlich nichts geschieht und gleichzeitig alles. Der Klang des Einen, den ich so lang vermisst hatte, ohne es zu wissen.
Jetzt bin ich mir selbst wieder nah; und obwohl ich Tausende von Kilometern gereist bin, ist es, als wäre ich gerade nach Hause gekommen.
Dirk Michael Steffan erreichte als Moderator und Produzent zahlreicher Hörfunk- und TV-Formate über zehn Jahre lang ein Millionenpublikum im deutschen Fernsehen. Mit eigenen Talksendungen ebenso wie als Produzent von Comedyserien, Reportagen und Infotainment-Formaten arbeitete er für die privaten wie auch öffentlich-rechtlichen Sender. Mittlerweile produziert er kulturelle Großveranstaltungen und arbeitet als Autor und als Komponist. Zu seinen bekanntesten Werken zählt mit über 400.000 Besuchern das Erfolgsmusical „Vom Geist der Weihnacht“.
Adresse
Sri Lanka Ayurveda Garden
95 b Sea Beach Road, Ambalangoda, Sri Lanka
Tel. (D): 0049-6162-72227 / (SL): 0094-91-2259888
Email: office@ayurveda-garden.de
Buchtipps
Dr. Aruna Bandara: Ayurveda für die Seele. O. W. Barth, Euro 18.90
Christian Salvesen/Doris Iding: Ayurveda hautnah, O. W. Barth (erhältlich für € 15,00 über christian.salvesen@t-online oder Tel 08176-291)
Zitate
Anders als bei den meisten Ärzten westlicher Prägung entsteht hier das Gefühl, als ganzer Mensch „gesehen“ zu werden
Dirk M. Steffan